Wennman
sich der Frage annähert, wie eine Gesellschaft
funktionieren soll, die sich
nicht mehr für die Erzeugung eines Produktes engagiert,
sondern vielmehr der
Optimierung des Gesamtprozesses interessiert, so ist man
zwangsläufig bei einer
Utopie. Wie könnte sie also aussehen?
*
Der Anteil der Bevölkerung, der unmittelbar in der
Landwirtschaft arbeitet,
wird weiter zurückgehen und auf Grund der noch weiter
fortschreitenden
Mechanisierung und Automatisierung auf unter 1% sinken. Utopisch zwar,
aber
auch zwangsläufig wird es beim Erfolg der genetischen
Forschung dazu kommen,
dass wir später einmal wahrscheinlich die Produktion
vollkommen von den
Einflüssen der Natur (im Sinne von Klima etc.) abkoppeln und
Lebensmittel
großindustriell / technisch herstellen, was unter
Berücksichtigung der
Effizienz zu einer weiteren Einsparung von Arbeitskräften
führen wird.
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Der Anteil der Bevölkerung, der unmittelbar industriell
tätig sein wird, wird
weiter schrumpfen und auf absehbare Zeit 2020 auf unter 10% sinken.
Industrielle Produktion wird sich entweder auf die jetzigen
Länder der Dritten
Welt verlagern oder so hohe Anforderungen an die Infrastruktur und den
Bildungsstand stellen, dass sie nur an ausgesuchten, wenigen Standorten
in den
Ländern der Ersten Welt realisiert wird. (Silicon Valley)
*
Der Großteil der Bevölkerung wird im DL-Sektor
arbeiten (müssen). Dabei wird
rein zahlenmäßig der DL-Sektor durch die
Ausgliederung von Teilprozessen aus
der Produktion wachsen.
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Der Anteil der nichtproduktiven Lebenszeit (produktive Lebenszeit im
Sinne von
landwirtschaftlicher, industrieller oder
DL-Produktionstätigkeit) wird weiter
steigen. Die durchschnittlichen Arbeitszeiten werden langfristig weiter
sinken.
Die Ausnahme bilden wahrscheinlich niedrig qualifizierte Arbeitnehmer.
Hier ist
mit einer Zunahme der täglichen Arbeitszeit auf 10 bis 12
Stunden zu rechnen.
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Auf der einen Seite werden die geistigen Anforderungen steigen (z.B.
ing.-technische Spezialisierung) aber auf der anderen Seite auch sinken
(„niedere“ DL). Die Gesellschaft wird sich dadurch
entweder in eine geistige
Elite und in einer Massendienstleistung aufspalten
(Differenzierungsansatz) oder
einer Vielzahl gelingt der Übergang zur DL-Elite und
verschafft sich auf Grund
der Produktivität und der wachsenden
„Freizeit“ die Freiräume niedere DL in der
sonstigen Zeit zu erfüllen (Kombinationsansatz).
*
Die Grundschulausbildung muss sich viel mehr als bisher an den
technischen
Gegebenheiten der Informationsgesellschaft ausrichten. Radikal gedacht
muss
Schönschreiben vom Lehrplan verbannt und durch
Tastaturschreiben ersetzt
werden. Das Buckeln von Schulbüchern und Schreibheften muss
ersetzt werden
durch das Mitführen eines Laptops und dem integrierten,
multimedialen Lernmodul
auf DVD o.ä. Medium.
Die
Schulausbildung sollte durchgängig im Klassenverband
geführt sein, jedoch die
Möglichkeit zu Spezialkursen ab z.B. Klassenstufe 6
eröffnen. Das Basiswissen,
was alle Schüler zu erfüllen haben, sollte 75% der
Ausbildungszeit umfassen.
Die „Leistungskurse“ die verbleibende Bildungszeit
abdecken. Der Abschluss ist
jedoch für alle gleich. Ein Abwählen von Lerninhalten
sollte unterbleiben, da
er die Vergleichbarkeit von Abschlüssen erschwert.
Schüler mit geringem
Leistungsniveau besuchen an Stelle von Leistungskursen Aufbau- und
Unterstützungskurse. Dabei sollte im Stadt-/Gemeindegebiet
auch ein
schulübergreifender Austausch gefördert werden
(Basisausbildung bis Mittag im
Klassenverband an der Stammschule/
Leistungs-/Unterstützungskurse ab Mittag an
der darauf spezialisierten Schule)
Lernergebnisse
und Lernstände sind in Onlineprofilen (bundeseinheitliches
Portal) zu
dokumentieren. Auf das Profil haben (wie ein Bankschließfach)
nur die Schüler
und die Erziehungsberechtigten Zugriff, so dass sich Eltern einen
permanenten
Überblick über den Ausbildungsstand verschaffen
können.
Anonymisiert
sollte die Profile aber Regionalvergleiche zulassen und so ein
Schulranking
fördern. Auf diesem Wege ließen sich auch
Leistungsabfälle ganzer Klassen z.B.
durch schlechte Lehrkräfte für die Schule erkennen.
Auch Eltern könnten so die
subjektive Darstellung des Kindes über Leistungen und
Anforderungen
objektivieren.
Und
wem dies noch nicht genug ist, könnten Hausaufgaben und
Arbeiten in einem
Klassenkalender dokumentiert werden, so dass auch dies die
Erziehungsfunktion
der Eltern unterstützt.
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Die Berufsbilder werden sich auflösen, da
fachübergreifende Ansätze zwingend
sind. Diese Erkenntnis, die im höheren Bildungsbereich schon
erkannt ist und
sich mit Doppelstudiengängen etabliert hat, muss
konsequenterweise durchdacht
auch zur Auflösung des Berufsbildungssystems führen.
Entweder verlängern wir
die „Grund“-Schulausbildung bis zur
Volljährigkeit hinaus für alle Schüler
(Trend zum Gymnasialabschluss) oder wir schaffen ein
berufsunspezifisches
Berufsgrundschuljahr, welches die Zeit bis zur
Volljährigkeit überbrückt und
für alle beruflichen Tätigkeiten
gleichermaßen vorbereitet. Die DL-Tätigkeit
wird zukünftig eher ein learning-by-doing /
training-on-the-job bzw. ein Kurssystem
werden, in dem der Bildungssuchende genau die Kenntnisse kurzfristig
vermittelt
bekommt, die er genau für die DL braucht, die er
ausüben will. Die Verminderung
der Vermittlung „unnötigen“
Wissensballastes muss einhergehen mit der
Möglichkeit der Flexibilisierung des Wissens, so dass die
Ausbildung dem
Patchwork-Lebenslauf und dem lebenslangen Lernen folgen kann. Man kann
„zusätzliches“ / nicht
tätigkeitsnotwendiges Wissen in seiner Freizeit
erwerben.
Im
Idealfall gibt es eine „Berufsausbildung“ nur noch
für wenige, komplexe Berufe,
die einem stückweisem Lernen in einem Kurssystem nicht
zugängig sind. Alle
anderen Berufe entfallen. Der Absolvent des Gymnasiums erhält
ebenso wie der
Absolvent des Berufsgrundjahres eine Bildungscheckheft (z.B. 10 Kurse a
ein
Semester/Halbjahr) und kann sich dann im freien Ermessen in Kurse
eintragen und
diese Belegen. Ein solches Kurssystem hätte den
zusätzlichen Vorteil, dass es
zu einer Straffung und Spezialisierung von Berufsschulen und zu einem
Wettbewerb zwischen den Schulen führen kann.
*
Die DL müssen 24 Stunden unabhängig von
religiösen oder sonstigen Motivationen
frei verfügbar sein. Dies gilt nicht nur für das
Essen und das Internet,
sondern auch für das Einkaufen, das Kino, die
Qualität des Fernsehens und die
öffentlichen Dienstleistungen. Eine Diskussion um die ethische
Zulässigkeit von
Sonntagsarbeit und die Bevorzugung von Nachtarbeit ist in den
Denkweisen der
Vergangenheit verhaftet, weil Informationen ganztägig um den
Globus wandern
(irgendwo ist immer Tag). Dieser permanenten DL müssen die
gesetzlichen
Regelungen Folge leisten. (Die Abschaffung des Ladenschlussgesetzes in
Deutschland ist hierbei nur die Spitze des Eisberges.)
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Die Vorteile der Zentralisierung eines Marktgeschehens durch
Konzentration der
Konsumenten bei gleichzeitiger Gegenüberstellung eines
Angebotes, welche dem
Grundmodell einer konventionellen Stadt entsprechen, werden sich
auflösen durch
die ganztägige Verfügbarkeit von
Konsumgütern per Internet. Auch wenn der
Konsument gegenwärtig durch den manuellen, sensorischen
Einkauf noch ein
Glückgefühl, eine Belohnung für die
Arbeitsmühe erzielen will und Konsumstätten
zu Erlebniseinkäufen mutieren, so ist doch dem klassischen
Handel das Ende
vorgeschrieben. Beobachtet man heute Einkaufszentren, so breiten sich
Erlebnisbereiche (Cafe, Essen etc.) im Verhältnis zu
Einzelhandelsflächen immer
weiter aus; der Konsument kommt mehr zum Schauen als zum Einkaufen. Die
Hemmnisse der Durchsetzung des Internet (Handling für
Ältere, Sprache,
Qualitätsrisiko, Versandkosten, Verbindungskomfort) werden
zunehmend schwinden,
wenn die Generationen mit dem Internet aufwachsen und ihre Arbeitswelt
mit der
Alltagswelt in Konfrontation gerät (Nachtschichtler trifft auf
geschlossene
Einkaufszentren und Kinderkinoangebot).
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Die Stadt als Konzentrationspunkt wird weiter schwinden, je mehr der
Handel
sich in der Innenstadt auflöst. Ein Kontrapunkt kann hier nur
entstehen, wenn
man andere DL in der Stadt konzentriert, an statt diese nach bisherigem
Denken
auszulagern. Kinos, Diskotheken, Theater gehören in die
Innenstadt auch wenn
man dafür Wohnquartieren und Handelshäuser
eliminieren muss. Der Mensch der
Zukunft will seine Freizeit ganztägig und sehr differenziert
verbringen.
Wirtschaftlich sinnvolle Angebote sind dabei nur durch Konzentration an
wenigen
Standorten möglich und sprechen deutlich gegen eine
Zersplitterung auf viele
kommunale Standorte. Gleichzeitig muss dem damit verbundenen
Individualverkehr
noch mehr Rechnung getragen werden.
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Die Stadt wird altern und die Bedürfnisse der Menschen nach
Wohnkomfort und
Umwelt werden sich dabei schneller wandeln als eine Immobilie bzw. die
Infrastruktur gebaut und amortisiert ist. Flexiblere, multifunktionale
Bauten
mit einfachen Erweiterungen, eventuell in modularer Bauweise, werden
zwingend,
wenn man nicht Fehlinvestitionen und permanente Förderung von
Verlusten
erzeugen will. Der Wohnungsbau muss dem Grundprinzip moderner
Bürobauten
folgen. Große zusammenhängende Flächen, die
nach Bedarf mit Trockenbau
abgetrennt und genutzt werden, sind zu kombinieren mit zentralen
Systemen der
Versorgung.
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Zentralisierungen in allen volkswirtschaftlichen Bereichen
müssen durch
flexible und dezentrale Lösungen aufgebrochen werden. Ideal
wären dezentrale
Lösungen, die zudem noch mobil wären.
(Großkraftwerk vers. Blockheizung - BHKW;
Erdgasleitung vers. Solarheizung; Abwasserleitung vers. biol.
Kleinklärgrube;
Telekomnetzwerk vers. Funkverteiler)
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Die Bildung von Kapital zur Altersvorsorge und damit die
wirtschaftliche
Entwertung des Kinderkriegens und der Familie führt neben
einem
Geburtenrückgang auch zur gesellschaftlichen Vergreisung, wenn
nicht die
Familie selbst einen konsumtiven und gesellschaftlichen Stellenwert
erlangt,
der über den Kosten der Familie liegt.
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Die demografische Entwicklung zwingt uns daher zu einer Konzentration
der
Bevölkerung in urbanen Kernen. Dies ist jedoch nur durch einen
Eingriff in das
Baurecht möglich, der stadtferne Siedlungen verhindert bzw.
die Aufgabe nicht
mehr benötigter dörflicher Siedlungen aktiv
fördert. Die „Zwangsumsiedlung“
vermindert zum einen Kosten in der flächenhaften Versorgung
(von
Abfallentsorgung, über Trinkwasser bis hin zu Post und
Individualverkehr zur
Lebensmittelversorgung). Zum anderen erlaubt sie eine effektivere
Nutzung
kommunaler Investitionen in den Siedlungskernen (Theater, Kino,
Verwaltung
etc.).
Da
dieser Gedankenansatz weit
in das Eigentumsrecht eingreift und kaum politisch umsetzbar erscheint,
obwohl
die infrastrukturelle Verödung des Dorfes bereits bittere
Realität geworden
ist, könnte folgender Stufenplan greifen.
a
- es werden urbane Kerne erkannt und definiert. (i.R. Städte
mit regionaler
Bedeutung) Um diese Kerne herum wird ein Einzugsgebiet definiert (z.B.
10 km
vom Stadtrand). Innerhalb des Einzugsgebietes wird das Baurecht nicht
eingeschränkt und die Städte werden gezwungen, in
dieser Zone
Bauausgleichsflächen zu erschließen und
gefördert abzugeben. Die
Bauausgleichsflächen sollten dabei so dimensioniert und
gestaltet sein, dass
sie einen Dorfcharakter ermöglichen
(Parzellengröße ü. 1000 qm; in sich
abgeschlossene Verkehrsführungen, kein überregionaler
Durchgangsverkehr,
zentrale Nahverkehrsanbindung etc.)
b
- außerhalb der urbanen Zonen gelegene Wohngebiete werden
infrastrukturell in
einem Stufenplan abgebaut. Überregionale Straßen
werden fortgeführt … Straßen
ins „Nirgendwo“ werden nicht mehr aus
öffentlichen Mittel unterhalten.
Gemeinden außerhalb der definierten Kerne, die an der
Erhaltung solcher Straßen
interessiert sind, finanzieren die Erhaltung aus Umlagen der
Gemeindemitglieder, wobei ein Zuschuss des Gemeinwesens denkbar, jedoch
mit
abschmelzendem Zuschusssatz versehen ist.
Gasversorgungen,
soweit sie im ländlichen Raum überhaupt vorhanden
sind, werden mit
Ansagevorlauf von 5 Jahren zurückgebaut.
Abwasserentsorgung,
soweit überhaupt zentral vorhanden, wird mit einem
Zeithorizont von 10 Jahren
auf dezentral und vollbiologisch umgestellt.
Wasserversorgung
wird mit einem Zeithorizont von 20 Jahren aufrechterhalten, jedoch bei
der
Möglichkeit der Brunnenversorgung auf eine dezentrale
Lösung reduziert.
Stromversorgungen
sollten durch die gezielte Förderung von Blockheizkraftwerken
dezentralisiert
werden. Bedingung einer Förderung sollte die Befristung der
Nutzung und die
Möglichkeit der Umsetzung sein.
c
- das Baurecht wird eingeschränkt. Neubauten werden nicht
genehmigt bzw. nur
dann genehmigt, wenn der Bauherr auf Ansprüche zur
infrastrukturellen
Versorgung verzichtet und entsprechende Eigenversorgungen glaubhaft
machen
kann.
d
- es wird ein Bundes-/EU-Programm „Neuordnung
ländlicher Raum“ aufgelegt.
Dieses fördert mit einer Festbetragsförderung (a la
Abwrackprämie) die Aufgabe
von Wohngebäuden und die Umsiedlung in das Einzugsgebiet des
urbanen Kerns.
(Zuschusshöhe 100 TEUR pro Familie - Bedingungen: der
bisherige Wohnraum wird
abgerissen und das Grundstück fällt in
öffentliche Hand). Auch hier könnte die
Zuschusshöhe zeitlich gestaffelt werden.
e
- ab einer bestimmten Einwohnerzahl wird der Status Dorf / Gemeinde
etc.
aberkannt und das Gebiet als Landkreis … Straße
Nr. umgegliedert. Landwirtschaftliche
Produktionsstützpunkte, sprich Dörfer, die
gegenwärtig über eine größere
landwirtschaftliche Produktion verfügen, werden als
Gewerbezonen weitergeführt
und infrastrukturell unterstützt.